Die Gipfelstürmer

in den Alpen

Die Gipfelstürmer in den Alpen 2018-04-11T17:32:35+00:00

In der frühsten Morgenstunde bimmelt das Telefon. Es bimmelt, es bimmelt, es bimmelt immer weiter. Letztendlich bemühe ich Muskeln, Sehnen und Gelenke dann doch, klicke, nein, wische (Smartphone ;)) mir einen ab und nach erfolgreicher Konnektivität schallt es mir entgegen: „Haste Zugriff?“

Stehaufmännchen Micha ist natürlich bereits wach. Immerhin redete er bereits seit Monaten von nichts anderem mehr. „Der Berg ruft!“, dröhnt es mir noch in den Ohren. Aber wahrscheinlich packt einen die Abenteuerlust erst so richtig, wenn einem die Haare ausfallen, man zuvor sein 30. Lebensjahr vollendet hat und sich soeben von einem Darmriss erholte. Da muss man wohl los, muss man raus aus dem Haus, hinaus in die Welt. Hoch auf den Berg und hinab in das Tal. Als 27-jähriger Bub kann ich das anscheinend noch nicht nachvollziehen. Nun, sei es drum. Ich antworte: „Na, klar bin ich wach!“ Just fällt mir ein, ich hatte um pünktlichen Weckruf gebeten und der morgendliche Anruf war allem Anschein nach tatsächlich gerechtfertigt.

Jedenfalls drehe ich mich wieder um, ein letztes Mal das weiche, wonnige, warme Bett umgarnen. Es bimmelt erneut. Der andere Scharlatan gaukelt mir per WhatsApp-Nachricht allmorgendliche Freshness vor. Als Jungspund unserer Abenteurerrunde muss uns Fuad selbstredend als motivierendes und energiestrotzendes Beispiel vorangehen.

Ich gebe die Ruhe also doch auf. Aufstehen, anziehen, Sachen aufrödeln und, ja, ab in die Berge. Die Alpen warten. Kämme wollen überquert, Panoramen genossen, steinige Klippen überwunden, Berghütten besucht und österreichische Weibsbilder in luftigen Höhen erobert werden. Dafür bin ich doch genau der Richtige. Kurz noch eine Stulle mit Wurst und Käs‘ in den Wanst, ab vor die Tür in die sommerliche Kälte, wo mich der Glatzkopf bereits mit verheißungsvollem Lächeln auf die elfstündige Autofahrt aus dem Norden Deutschlands in das südlichere Österreich einstimmt. Na, dann mal los in die Alpen.

Der Berg ruft

Da sitz ich also nun auf dem Rücksitz eines Fiat Punto, der nicht nur sprichwörtlich aus dem letzten Loch pfeift. Die dringend benötigte Autoreparatur wurde kurzerhand auf „irgendwann, aber nicht jetzt“ verschoben. Die Nächsten 2.000 Kilometer für die Hin- und Rückfahrt schaukelt der „Graue Pilger“ gewiss noch. Immerhin geht es in die Berge. Da gibt es keine Ausreden. Frodo ist auch am Schicksalsberg angelangt…irgendwie. Der abgebrochene Zwerg schnarcht derweil auf dem Vordersitz und sollte die nächsten 9 Stunden nicht mehr aufwachen. Selbst als es „I’m a Scaaaatman“ aus dem Radio schallt, rührt sich nichts. Nur Micha wippt und singt mit und hat für die eine oder andere schicke Blondine, die uns auf der Autobahn mit ihrem BMW überholt, den gewohnt coolen Blick parat – hier sind Kinder der Neunziger unterwegs!

Und wir sind verdammt nochmal die Coolsten! Endlich überqueren wir die Grenze nach schier endloser Fahrt und landen in der hügeligen Donaumonarchie, äääh Republik. Das Hörbuch „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“, das ich vor Reiseantritt ganz legal erworben hatte, konnte mir die Reisestrapazen nicht wirklich nehmen und munterte mich auch nicht mehr auf. Eingefercht in einem röhrenden Automobil, das sekündlich droht, in seine zerrosteten Einzelteile zu zerfallen, klart mein noch immer recht betrübter Blick urplötzlich auf: Die ersten territorialen Erhebungen türmen sich in nahezu greifbarerer Entfernung vor uns auf. Kurz bevor ich mich in hingebungsvoller Schwärmerei zu verlieren drohe, reißt mich eine mir unbekannte weibliche Stimme kreischend aus aller Träumerei. Micha hatte soeben seiner Aufregung freien akustischen Lauf gelassen.

Diese recht unmännliche Emotionsäußerung findet ihre Berechtigung dann aber doch. Vor uns ergießen sich bunte Tropfen der sonnenbeschienenen Naturbelassenheit in ein Meer gewaltsamer Gesteinsformationen, die wir, die Abenteurer, schon bald erklimmen werden. Die Fahrt findet nun ebenfalls ihr Ende und wir erreichen die volkstümliche, typisch österreichische Ortschaft mit ihren einladenden gastronomischen Betrieben und Hotelanlagen – schade nur, dass wir in naher Zukunft nicht allzu viel davon genießen werden. Am Fuße des Berges halten wir und machen uns allesamt bereit auf das Abenteuer unseres Lebens – ja, im Ernst.

Etwas skeptisch blicke ich indes dennoch rein, als ich bemerke, dass unsere Ausrüstung sich von Mann zu Mann doch leicht unterscheidet. Selbstsicher präsentiere ich Rucksack, Plane, Funktionskleidung, ich bin bestens ausgerüstet. Fuad zeigt mir Spaten, Wasserkocher und diverses unnützes Gerödel, worunter ich einen Wasserkanister, den er über ein geflochtenes Seil am Rucksack befestigt, als mein persönliches Must-have für Gipfelstürmer auserkoren habe. Ich werde mein süffisantes und überhebliches Grinsen aber bald schon einbüßen.

Kraxelbereit und ausgerüstet geht es also los. Nur leider finden wir den Berg nicht. Soll heißen: Wo verdammt nochmal ist der Weg? Glücklicherweise entdecken wir im Örtchen einen ortskundigen Mann, der seinen Hund ausführt und der rein zufällig des Bürgermeisters „best friend“ ist, wie er selbst bekundet. Als erfahrener Wandersmann weist er uns, wie es unter Wandersleuten gang und gäbe ist, den Weg, obgleich der starke österreichische Akzent uns allen unverständliche Rätsel aufgibt. Auf unsere Nachfrage, ob unser „Graue Pilger“ überhaupt acht Tage einsam und verlassen auf dem Hotelparkplatz stehen dürfe, beruhigt uns der nette Herr mit der Information, dass er auch bei der örtlichen Polente ein Stein im Brett habe und ein gutes Wort für uns einlegen werde. Nun, dann kann nun ja rein gar nichts mehr schiefgehen. Nun geht es endlich tatsächlich ab auf den Berg! Pause nach 2,5 Minuten. Erschöpft und völlig ausgelaugt stellen wir uns verwundert die Frage,

ob unsere Bergkarte womöglich den leichten Wanderweg mit dem schweren Bergweg verwechselt haben könnte. Als erfahrene und durchtrainierte Sportsmänner und ebenso erfahrene Bergsteiger können wir einen derartigen Anstieg selbstverständlich nicht unterschätzt haben. Jedenfalls: Einen gemütlichen Berpfad wollten wir beschreiten. Schnell hinauf auf das kleinste aller bevorstehenden Hügelchen, das Zelt aufschlagen und am nächsten Morgen frischen Mutes durchstarten in windige Höhen und spöttisch auf die Welt hinabblicken. Dass bereits der erste und gar nicht allzu steile Anstieg zu einer nahezu unüberwindbaren physischen Herausforderung würde, nun, das würde keiner von uns je zugeben. Belohnt werden wir unseres Weges dafür mit einem unbeschreiblichen Panorama, nein, mit Panoramen, die sich 360 Grad um uns herum in majästetischer Erhabenheit verklären. Deswegen wollten wir hier her. Denn hier ist man Mensch, hier darf man’s sein.

Wo, verdammt nochmal, ist der Weg?!

Zu dritt geht es dann immer steiler den Berg hinauf. Wir überqueren grüne Wiesen, sumpfartige Landschaften und sandige Klippen. Plötzlich erblickt Fuad während unserer vierten Pause einen Vorsprung. Beseelt von Erkundungsdrang, furchtlos und mutig, erobert der Tollkühne den felsigen Vorhang und erforscht den dunklen Höhleneingang mit rostiger Axt und Taschenlampe. Sekündlich erwarten wir einen bestialischen Kampf zwischen Mensch und Tier, Homo sapiens und Ursus arctos, doch nichts geschieht. Nichts von alledem. Welch eine Enttäuschung. Nur einige Sekunden später erblicken wir überrascht und erschrocken eine suspekte Schafherde sowie einen Hund. Der Anführer der tierischen Gang, ein Hirte, beruhigt uns jedoch mit einigen warmen Worten und wir setzen unsere Reise fort hoch und immer höher hinauf, als die Sonne allmählich hinter den Berggipfeln hinabsinkt. Endlich erscheint die Berghütte vor unseren Augen. Meine Freude über das Erreichen

unseres ersten kleinen Etappenziels möchte ich mit meinen Kameraden teilen, die derweil weit zurückgefallen sind – der Berg kennt keine Gnade, und schon gar nicht mit den Schwachen. Meine übermotivierte Kraxel-Art sollte mir allerdings schon bald zum Nachteil geraten…
Nun, oben endlich gemeinsam angekommen und wiedervereint, treffen wir auf andere Wandergesellen. Familien, die es sich in der Hütte mit Baumwolldecke, Kerzenschein und warmer Schokolade gemütlich machen, Kinder, denen der steile Aufstieg allem Anschein nach nicht das Geringste ausmachte. Auf die Frage nach Speis‘ und Trank begegnet uns der Wirt überraschend mit kühler Strenge. Wir sind zu spät, viel zu spät. Kein Platz, keine Stärkung gibt es für die drei Gefährten. Nur einer bewahrt in dieser schier aussichtslosen Situation seine stürmische Ruhe. Nur er, nur der Michael, als er sich ein kühles blondes Bier schnappt und im orangenen Himmelszelt mit beherzten Schwung die Flasche köpft – Prost!

Nichtsdestotrotz benötigen wir ja noch immer eine Unterkunft! „Auf, auf, trottet euch!“, denken wir uns, den höchsten Punkt erklimmen und erst einmal einen Überblick darüber verschaffen, was das hügelige Gelände zu bieten hat. Bear Grylls hätte es auch nicht anders gemacht.
Direkt am Hang erforscht unser geschultes Elbenauge ein geeignetes Plätzchen inmitten von Gesteinen, Pferdekot und anderem tierischen Unrat. Genau das richtige für uns Hartgesottene. Während sich Fuad in Sekundenschnelle in sein High-End-Zelt windet und jeglicher Kommunikation entsagt, bemühen Micha und ich uns um den Aufbau unseres Tarp. Wer benötigt schon ein Zelt?!
Hier sei angemerkt, dass wir uns in penibler Planung über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis in das kleinste Detail in die Facetten und Kniffe des Auf- und Abbaus des Tarp-tums eingearbeitet haben. Offener Raum, Zelt-Stil, Dreifach-Dach, windgeschützt, wir hatten so ziemlich alle Bauformen

probiert und einstudiert in bebäumten Wäldern. Ran an das Werk also. Nur eines haben wir anscheinend vergessen: Bäume, nun, die gibt es nicht auf dem Berge. Da stehen wir also. Wir Trottel. Aber schutzlos bei nahenden Minusgraden in den Bergen nächtigen? „Pah, was solls!“, muntern wir uns gegenseitig auf, als es dann urplötzlich beginnt zu regnen. Aber dies ist nichts als eine unwesentliche, kaum spürbare Herausforderung, eher eine gern angenommene Erfrischung für die Unerschütterlichen. Wir bauen uns ein doppelseitiges Konstrukt, das aus einigen Steinen und brüchigen Stöckern zusammengehalten wird und bereits bei der kleinsten Windböe in sich zusammenzufallen droht. Jetzt heißt es nur noch: Hinlegen und üb-erleben! Als ich allmählich in die Tiefen des Traumes hinüberschwinde, da ist mir nicht bewusst, dass ich direkt am nächsten Morgen eine der schlimmsten Begegnungen meines Lebens machen sollte. Mit einer monströsen Bestie. Und ich selbst war es, der sie erwecken sollte…

„Verdammte Fresse noch eins!“, denke ich, als ich plötzlich aufwache und bemerke, dass mir im Sekundentakt eiskalte Wassertropfen in das Gesicht springen. Als ich im Halbschlaf nach meiner sich gewohnt neben dem Bett befindlichen Stehlampe greife, um der Sache auf den Grund zu gehen, kommt die Erkenntnis: Ich liege nicht in meinem Bett. Stattdessen befinde ich mich mitten im Nirgendwo, in den Alpen, auf irgendeinem Berg und drohe – zu ertrinken, derartig hoch ist bereits der Wasserstand in meinem „Zelt“. Nach der Freude darüber, dass das Dach meines Hauses nicht löchrig zu sein scheint, steigt der Ärger darüber empor, dass mich ein wesentlich schlimmeres Schicksal ereilt: Ich liege in einer Pfütze, die schon fast meterhohe Wellen schläft. Es ist Nacht. Ich sehe nichts. Es sind gefühlte -10 Grad Celsius. Ich rufe um Hilfe: „Help, help, help!“ Doch Hilfe wird nicht kommen.

Währenddessen vernehme ich tiefes und geruhsames Schlafen aus dem Nachbarzelt. Die Investition in ein überdachtes und schnell aufzubauendes Gehäuse macht sich bei Fuad bezahlt. Meine Meinung, Zelte seien nichts für echte Abenteurer, bereue ich bitterlich. Aber nun gut, jetzt gilt es, seinen Mann zu stehen. Ich bemühe mich aus meinem Schlafsack, in dem ich nur mit Boxershorts bekleidet liege, in die freie Wildbahn, blind mich emportastend und bemüht, mein Tarp-Konstrukt zu richten. Nebenan dreht sich Micha in wolliger Wärme umher und unterstützt mich mit der Anweisung, ich solle mich verdammt nochmal beeilen, ihm sei kalt in seinem High-End-Schlafsack und er hätte erst 10 Stunden geruht.
Einige Steine richte ich hin und her, stelle einige Stöcker wieder auf und das Tarp liegt wieder auf Spannung. Herausforderung bestanden und es bleibt sogar noch Zeit, einige Stunden zu schlafen….

Wie gewohnt erwache ich als erster aus meinem doch sehr leichten Schlaf. Froh ob der Tatsache, dass unsere minderwertige Behausung die Nacht überstanden hat, versuche ich, mich wieder in meine Wanderausrüstung zu zwängen. Als Rudelführer sorge ich mich selbstverständlich auch um meine Herde. Fuad scheint bereits wach. Nur von Micha ist noch nichts zu hören. Nach einigen lauten Rufen bittet mich der Abenteurer, ihm nur noch 30 Minuten zu geben. Kopfschüttelnd und etwas besorgt krame ich im Rucksack nach meiner Taschenlampe, um mich visuell von seinem physischen Wohlergehen

zu überzeugen und begehe den Fehler meines Lebens: Ich leuchte in den hinteren Teil unserer Tarp-Konstruktion und starre auf den Arsch meines Kumpels, der sich mir spöttisch entgegenstreckt. Wildes Geschrei verlässt meinen Mund. Micha reagiert mit einem souveränen: „Hä?! Was leuchtest du hier hinein?“
Nachdem der Schrecken allmählich versiegte, bemühen wir uns dann doch auf, packen unsere sieben Sachen und machen uns auf den Weg, den schwierigsten Abschnitt unserer Reise zu meistern: den unendlichen Pfad.

Schnell bemerken wir, dass es selbst in den Sommermonaten nicht allzu warm auf dem Berge ist – besonders nicht zu einer derartig unchristlichen Zeit. Als wir die ersten Gletscherreste erspähen, fröstelt es uns noch um einiges mehr. Schwermut liegt auf dem Lande und bedeckt kurzfristig unser helles Gemüt. Doch natürlich hält uns dies nicht ab, Schritt um Schritt voranzuschreiten, wir sind ja bestens vorbereitet – auch mental. Die ersten zehn Minuten wandern wir tatsächlich ohne Pause und erste Theorien werden geäußert, unsere Körper hätten die raue Bergluft sehr schnell adaptieren können. Der Energieriegel,

den ich mir einige Sekunden zuvor verabreicht habe, dürfte sich ebenfalls ausgezahlt haben. Fast schon unspektakulär spulen wir Meter um Meter ab. Die Nebeldecke gewährt uns derweil keinerlei Aussicht und wir verlieren uns in schwärmerisches Gerede, als mein rechter Fuß auf unsicheres Terrain tritt und ich beinahe 3.278 Meter in die Tiefe stürze. Gelächter bricht aus, mir stockt der Atem und wir entscheiden uns für eine kurze Pause und eines dieser Fotos, auf dem man nur die Landschaft und Füße sieht. Das ist ja nun voll angesagt, also müssen wir etwas Derartiges auch machen.

Es geht nach der kurzen Verschnaufpause immer weiter hinauf. Wir überholen die Wolken, ziehen an Gott und Jesus vorbei und wundern uns, dass wir in derartigen Höhen noch immer ohne zusätzlichen Sauerstoff überleben können. Wir kraxeln und klettern, überwinden Felsenschluchten und Gletscherspalten, bewältigen 90-Grad-Steilhänge und erstarren urplötzlich in verharrender Ruhe, als wir durch das dichte Nebelgewirr unter einem blauen Himmel emporgestiegen sind und

von einer Aussicht überrascht werden, die ihresgleichen sucht. Nach einem kurzen Aufenthalt nehmen wir schweren Herzens Abschied von dieser majestätischen Höhe, auf der unserer Meinung nach noch nie ein Mensch zuvor gewesen sein kann. Aus der Ferne erblicken wir einen kleinen Gletschersee und nutzen diese Gelegenheit, uns Schweiß und Dreck aus dem Gesicht zu putzen. Hüpfend und jauchzend gehen wir unseres Weges, sollten jedoch schon bald vor einer neuen Herausforderung stehen.

Wir gelangen an eine pompöse und ebenso furcheinflößende Steilwand, die nicht einmal mit professioneller Bergsteigerrüstung zu überwältigen wäre. Wir machen uns mit Sack und Pack ans Werk, denn unsere Zehen sind unsere Steigeisen, unsere Hände unsere Eispickel. Micha und ich erklimmen unter zum Zerreißen angespannter Körperhaltung Zentimeter um Zentimeter, jederzeit der Gefahr trotzend, unendlich weit in das tiefe Nichts zu stürzen. Fuad entscheidet sich unterdessen, einen alternativen Weg

einzuschlagen und schon bald gerät er aus unserem Blickfeld. Fast die Hälfte der Wand erklommen, sehen wir hoch droben einen wuseligen schwarzbehaarten Kopf hinabblicken. Der flinke Fuad hatte einen alternativen Pfad abseits des Weges gefunden. Am Ende sollte sich herausstellen, dass dies der eigentliche Wanderweg war, Micha und ich hingegen den deutlich umständlicheren und nicht begehbaren Pfad wählten. Doch wir lieben bekanntlich die Herausforderung, vor allen Dingen die ungewollte.

Unser Leben am Ende doch erhaltend, schreiten wir nach getaner Arbeit voran. Neben uns erhebt sich Naturschauspiel um Naturschauspiel, Kamm um Kamm, doch wir schreiten voran. Die unendliche Weite will nicht abreißen, doch wir schreiten! Verdammt, einen ewigen Pfad zu folgen, werden wir überholt von Kindern und Frauen, Großeltern und ihren Enkeln. Allmählich fühle ich mich an Dantes Höllenkreise erinnert: Je näher wir dem Ziel rücken, desto schrecklicher wird der Pfad. Und jedes Mal, da wir denken „Gleich ist es geschafft“, erwartet uns der nächste Anstieg. „Nur noch ein Kamm!“, ruft Micha mir noch zu, als ich aus der Ferne 10 weitere Kämme erblicke, die es noch zu überqueren gilt. Dem körperlichen Exitus nahe keimt urplötzlich Hoffnung auf,

als weit entfernt ein Holzhüttchen als kleiner unscheinbarer Punkt in der Ewigkeit in unser Blickfeld tritt. Dass sich dieser Punkt noch einige Kilometer vor uns befindet, ahnt zu diesem Zeitpunkt keiner. Befähigt mit einem perfekten Orientierungssinn schaffen wir es, uns in der Ebene auf einem freien Feld mit freiem Blick auf unser Ziel zu verlaufen. Die Bergprofis sind unterwegs!
Nach gefühlten Jahren der Wanderung kommen wir am Ende dann doch an der zweiten Hütte an, aufgezehrt und verwundert, dass unsere Füße uns soweit trugen. Wir bestellen Spaghetti und Apfelstrudel, Salat und Kakao, Radler und Bier und konstatieren: Am Ende wird immer alles gut, nichtsahnend, dass uns eine zweite regnerische und eisige Nacht erwartet. Außer Fuad.

Die Bergprofis sind unterwegs!

Es war bereits 07.00 Uhr in der Früh, als ich erwachte. Das Wetter meinte es diese Nacht nicht sonderlich gut mit mir. Es war aber die erste Nacht, die ich gänzlich allein verbrachte. Die anderen beiden Deppen teilten sich dieses Mal eine Behausung. Wir übernachteten unweit der Hütte entfernt, an der wir am Abend zuvor noch kohlenhydratreiche Stärkungen zu uns nahmen, inmitten eines freien Feldes. Wie immer standen auch hier die Möglichkeiten schlecht, eine adäquate Behausung zu errichten. Als mittlerweile professioneller Survival-Experte – nach zwei Tagen in den Bergen behaupte ich dies mit Fug und Recht – gestaltete sich mein Tarp-Unterschlupf sowohl funktional als auch optisch als die gewünschte sichere Überdachung gegen das stürmische und regnerische Unwetter. Ironie aus.

Jedenfalls staunte ich nicht schlecht, als Schlafsack, Rucksack und – kurioserweise – sogar meine Wolldecke gänzlich durchnässt waren, derweil sich die Nacht dem Ende neigte und ich begann, erste Maßnahmen gegen akute Panik zu ergreifen. „Nur nicht nass werden!“, schwirrt es mir noch im Kopf rum. Immerhin: Knapp zwei Tage konnte ich der wichtigsten Regel in den Bergen Folge leisten!
Da mir keine andere Wahl blieb, packte ich meine Sachen. Auch die anderen waren bereits mit Sack und Pack aufgerödelt und bereit, neue Höhen zu erklimmen. Ein wenig trotzigen Neid konnte ich unterdessen nicht verstecken. Den anderen Gipfelstürmern war eine deutlich trockenere Nacht beschert gewesen. Aber hey, was soll’s, weiter geht’s!

Als wir losgehen, folgen wir zuerst einem sandigen Pfad. Auch die Sonne zeigt ihr freundliches Gesicht und besonders meine Wenigkeit ist ob der überraschend warmen Wendung des jungen Tages wohlig zumute. Doch bereits nach kurzer Zeit verlässt uns erneut der bereits des Öfteren angepriesene Orientierungssinn und wir wissen nicht so recht, welcher der Berge der unsrige ist. Glücklicherweise begegnen wir einem Jungen-Mädchen respektive Mädchen-Jungen, markantes Gesicht, riesige Pranken, hellblond gelocktes Haar mit Schleifchen eingeflochten, der/das uns den Weg weist.
Nur einige Meter weiter übernehme ich mich bei der Überwindung eines Seils, das monumentale 10 Zentimeter über den Boden gespannt ist und den Pfad vor unbefugtem Betritt bewahren soll. Ich falle fast.

„Aber den 2.000 Meter hohen Berg meistere ich gewiss mit Geschick“, denke ich so in mich hinein, während die anderen Kumpanen lachend und spöttisch dreinblicken. Als mittlerweile unangefochtener Trottel unserer geselligen Wandertruppe führe ich die Bande dann endlich wieder in luftigere Höhen. Der Anblick der gewaltigen Steinriesen ist trotz des mittlerweile fast schon gewohnten Anblicks noch immer einmalig faszinierend.
Zwar genehmigen wir uns auf unserem Kraxelweg nun die ein oder andere Pause mehr – wir haben ja aus den letzten beiden Tagen gelernt – dennoch geht es zügig voran, bis uns buchstäblich ein Drahtseilakt erwartet.

Ich, die personifizierte Trittsicherheit, breche in schallerndes Gelächter aus, als mir mein Tod in weiser Voraussicht von den anderen Halunken vor Augen geführt wird. Denn nach der Meisterung des Kamms geht es hinab, steil, an einer Steilwand. Selbstsicher lasse ich der kleinen Wandergruppe, die uns mittlerweile eingeholt hat, den Vortritt und schaue, wie die neunjährigen Kinder sicheren Schrittes hinabsteigen. „Da lasse ich mich ja nicht lumpen!“, gebe ich mit zittriger Stimme vor, packe das raue Stahlseil mit fester Hand und lasse mich unbeirrt in die unendliche Tiefe gleiten. „Unten ankommen wirst du auf jeden Fall“, denke ich mir. Oben vernehme ich hämisches Grinsen. Micha fühlt sich zu diesem Zeitpunkt nicht bloß aufgrund seiner erhöhten Position überlegen. Nach gefühlten Stunden und dem einen oder anderen Rutscher, an den ich mich mittlerweile gewöhnte,

lande ich dann doch unten auf sicherem Gelände. Der Abstieg war geschafft. Und das sogar relativ heile!
Dann fällt mir hingegen auf, dass der dritte Mann im Bunde einmal wieder aus dem Blickwinkel entschwunden war. „Ey man, wo ist eigentlich Fuad?“, röhre ich hinauf zu Micha. Einen Wink weiter erblicke ich den lebensmüden Halbwüchsigen, wie er er sich auf eine Schneedecke setzt und entscheidet, die 100 Meter, die es in die Tiefe geht, abzukürzen: „Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist bekanntlich ein Gletscher“, konstatieren wir und sehen, wie Fuad tatsächlich hinabrodelt. „Das müsste Rodeln im eigentlichen Sinne sein“, kommentieren wir die Szene etwas lapidar, unwissend, ob der Rodler-Neuling das waghalsige Rennen mit seinem Leben bezahlt oder nicht.

Urplötzlich entdecken wir inmitten eines Geröllfeldes Fuad wieder. Wieder einmal hat sich bewiesen, dass alle Wege in den Bergen auf kurz oder lang nach unten führen – welch Ironie. Micha und ich kämpfen uns über messerscharfe Felsbrocken und entdecken vor, neben und unter uns metallischen Unrat, den wir flugerfahrene Piloten umgehend abgestürzten Maschinen, in diesem Fall einer „Focke-Wulf Fw 190“, der sogenannten „Würger, aus dem 2. Weltkrieg zuordnen. Fuad hat unterdessen eine neue Bekanntschaft gemacht. Ein junger Wandersmann gibt sich zu erkennen, der mir mit seiner österreichischen Altweiberfrisur nicht ganz integer erscheint. „Er folgt uns bereits seit drei Tagen“, werfe ich mit einem leichten Anflug tiefsitzender Paranoia entgegen. „Wir sollten Vorsicht walten lassen und zum Äußerten greifen, wenn nötig!“, fahre ich fort.

„Viele, die leben, verdienen den Tod. Und manche, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch nicht so rasch mit einem Todesurteil bei der Hand“, werde ich daraufhin von Micha belehrt. „Närrischer Tuk!“, schallt es ihm entgegen, als ich mich spöttisch abwende.
Am Ende sollte sich der junge Mann als unterhaltsamer Geselle herausstellen, der uns den weiteren Weg bis zur Hütte weist, auf der wir – wie gewohnt – hastig um Verpflegung in Form von Gerstensaft bitten. Just in diesem Moment gesellen sich auch noch zwei schicke mittsechziger Damen zu uns, die mich direkt als „Kraftlackl“ betiteln. Nicht wissend, ob sie mich auf ein Duell herausfordern, reagiere ich mit tollkühnen Drohgebärden. Nach einigen weiteren Minuten beschließen wir, uns nach draußen zu begeben, um ein geeignetes Plätzchen für unser Shelter zu finden.

Tristesse macht sich rasch breit, als das Wetter wieder einmal beschließt, uns das geruhsame Leben in den Bergen zur Hölle zu machen. Auch der Aufbau unseres Unterschlumpfs gestaltet sich aufgrund des Sturms, der sich urplötzlich bahnbricht, nicht gerade einfach. Gegen Windmühlen kämpfend verlegen wir Stein um Stein, als der Himmel seine Pforten öffnet und uns obendrein mit wasserfallartigen Regengüssen betröpfelt.

Fuad hatte sich zu dieser Zeit selbstverständlich wieder in sein wasserfestes Zelt zurückgezogen. Doch schlussendlich bezwingen wir Mutter Natur und erbauen einen mehr oder minder vorzeigbaren und verlässlichen Unterbau an einem Steinhang. Einige abschließende Worte finden Micha und ich noch, für ein Selfie ist natürlich ebenfalls Zeit, bevor wir uns auf unseren Steinkissen zur Ruhe betten.

Schlussendlich wird Mutter Natur bezwungen!

Wieder eine Nacht überstanden, welch ein Glück! Mit Können hat unsere Alpenreise unterdessen lange nichts mehr zu tun, da bin ich mir zu diesem Zeitpunkt sicher. Wer jemals bei gefühlten Minusgraden ohne Möglichkeit, sich aufzuwärmen, auf einem Berg erwacht ist und in klitschnassen Klamotten steckte, der mag nachvollziehen können, wie ich mich zu diesem Zeitpunkt fühle. Doch glücklicherweise starten wir an diesem Tag nicht direkt zu einer neuen 20-Kilometer-Tour, sondern beschließen, den Wandertag mit drei kakaohaltigen Getränken zu beginnen.

Hüttenernie empfängt uns diesen Morgen mit süffisantem Grinsen und ausgeruht. Demgegenüber ich: Fertig. Aus dem „Kraftlackl“, den ich vielleicht nicht ganz ohne geheimen Stolz noch am letzten Tage von mir wies, ist ein „Zniachterl“ geworden, der kurz davor ist, sich auf den Boden zu schmeißen und nach seiner Mama zu rufen. Doch anmerken lasse ich mir natürlich nichts und insgeheim bin ich doch beglückt, mich genau in dem Abenteuer zu befinden, das ich mir selbst versprochen hatte. Also, raus aus der Hütte und weiter geht’s!

Frohen Mutes wandern wir los und stoßen direkt nach den ersten Metern auf die gewohnten Probleme. Wo geht es eigentlich lang? Hüttenernie hatte uns zwar eine relativ genaue Anweisung gegeben und unsere Fragen mit den Worten „Auf keinen Fall könnt ihr den Weg verfehlen“ beantwortet, doch, wie vorherzusehen, finden wir eben jenen Weg nicht. Bereits kurze Zeit später durchstreifen wir meterhohe Sträucher, überqueren reißende Bächlein und wehren uns gegen allerlei tierisches Kleinvieh, das uns bereits am Morgen die sprichwörtliche Tour versauen will. Urplötzlich bemerken wir auf der anderen Seite des sich mittlerweile neben uns befindlichen Bergsees zwei Jagdgesellen, die mit Harpune und Fangnetzen nach hiesigen Fischen jagen. Dessen sind wir uns sicher. Als die Fischer unser Dreigespann erblicken, meinen wir, von Weiten wild ausufernde Gebärdensprache zu deuten.

Wedelnd und rudernd scheinen die beiden Männer uns etwas mitteilen zu wollen. „Ach, schau mal dort, wie sie uns winken, da wink ich doch glatt zurück!“, sage ich zu den beiden anderen, während ich meiner guten Stimmung durch den bekannten gehobenen Daumen Ausdruck verleihe. Unbeirrt gehen wir also weiter, als wir dann auch noch lautes Rufen vernehmen. „Ob die uns warnen wollen?“, fragt Fuad. „Quatsch, wovor denn? Es droht keine Gefahr!“, konstatiert Micha das Geschehen und fordert uns, bereits etwas angenervt von der durchaus angebrachten Vorsicht, auf: „Trottet euch, Hobbits!“ Da auch der Weg etwas begehbarer wird, wähnen wir uns – wieder einmal – im Recht. Doch dann: Das Ende des Pfades. Kein Vorbeikommen, kein Weiterkommen, nicht einmal eine Kraxelmöglichkeit. Das zumindest war meine Meinung. Man.

Kaum habe ich mich selbst davon überzeugt, dass es mir das Risiko nicht wert ist, den lebensmüden Pfad zu beschreiten, dass es gar für Menschen unmöglich sei, dort hinüberzugelangen, seh ich Fuad die ersten Schritte tätigen – so, als ob es ganz selbstverständlich sei. Micha folgt ihm natürlich sofort. Verwundert schauen sich die beiden um, wo der so ansonsten so wagemutige Patrick denn bleibe. Mich allerdings hat es zurückgeschlagen. „Ich geh außen rum!“, schrei ich den Verrückten entgegen und ziehe peinlich berührt vondannen.
Dabei denke ich mir allerdings, ob ich den beiden nicht doch zu Vernunft raten sollte.

„Wenn hier einer stirbt, dann bin ja wohl ich das!“, denke ich so in mich hinein und lass meine Gefährten letzten Endes dennoch walten. Einmal blicke ich mich noch um und sehe Micha, mir mit heiterem Gemüt zum Abschied winken. „Dieser Trottel“, springt es mir in den Kopf. Schaut ihn euch doch an. Ich hingegen mache mich laufend auf den Weg zurück, um den eigentlichen und deutlich sichereren Pfad zu beschreiten. Nach circa einer Stunde überquere ich den just erwähnten See über eine Brücke, die aus einem einzigen Stück Holz gefertigt ist, so scheint mir: morsch, brüchig, einfach mit all den Attributen versehen, die man sich beim Überqueren einer Schlucht oder eines reißenden Flusses so wünscht.

Auf der anderen Seite erblicke ich meine Freunde, die nur noch als kleine schwarze Punkte an einer monumentalen Felswand erscheinen, wie sie verzweifelt gestikulierend dem jeweils anderen zu übermitteln versuchen, was in dieser aussichtslosen Situation zu tun sei. „Kann mir ja egal sein“, bewerte ich die Situation mit ein wenig Häme.
Diese Gehässigkeit wird aber zugleich bestraft, als ich – joggend mit Gepäck – sehe, welchen Weg ich noch vor mir habe.
Unterdessen laufe ich an den vorab beschriebenen Anglern vorbei, die mich mit einem Kopfschütteln auffällig unauffällig versuchen zu ignorieren. „Grüüüüüüüüß diiiiioooaaa“, rufe ich betont selbstbewusst. Ich habe alles unter Kontrolle.

Was man von den beiden anderen zu diesem Zeitpunkt gewiss nicht behaupten kann. Aber wie es nicht anders zu erwarten war, meistern sie auch diesen Überstieg mehr oder minder unbeschadet – bis auf Fuad womöglich, der – wie ich zuvor – während des Überstiegs auf Tuchfühlung mit Michas Arsch gehen musste, der auch mir vor einigen Tagen bereits eine böse Überraschung bescherte. „Never change a winning team“, rufe ich den beiden siegesbewusst zu, als wir uns am Ufer des Sees wiedersehen und beschließen, das erste Abenteuer des Tages auf dem benachbarten Staudamm nochmals Revue passieren zu lassen und feststellen, dass der da(r)mmbrucherfahrene Micha heute eine ganz andere Dammerfahrung machen durfte.

The show must go on. Und so machen wir uns wieder auf den Weg, um den nächsten und hoffentlich letzten Part des Tages hinter uns zu bringen. Auf ebenem Terrain kann dann auch ich wieder meine Stärken ausspielen: Dumme Ratschläge geben und schnurstracks geradeausgehen. Während ich schon fast im Stechschritt unterwegs bin, Micha flotten Fußes mithält, lässt es Fuad etwas ruhiger angehen. Der Schreck auf dem Damm steckt ihm wohl noch in den Gliedern. Als wir auf einmal bemerken, dass wir im Grunde noch gar keine Höhenmeter hinter uns gebracht haben, gefriert sich unser Lachen dann doch zu Eis, zumal uns unsere kleine Klettertour zeitlich stark zurückgeworfen hatte. Aber sei es drum. „Bestimmt nur noch ein Kamm, oder?“, ruf ich zu Micha herüber, der mir zustimmend zunickt. Nun, drei bis 20 Kämme sollten es dann aber doch noch werden.

Auf unserem Weg zur Hütte sollte sich sodann nicht mehr allzu viel ereignen, worüber wir alle ziemlich froh waren. Vor uns erblicken wir nach einigen Stunden die sehnlich herbeigewünschte Hütte, auf der wir uns, wie üblich, zu allerlei Köstlichkeiten einladen, die in diesem Fall in einen überschwänglichen Umtrunk münden. 25 Minuten nach dem Essen und vier naturtrübe Bergradler später lachen wir uns schaukelnd und schunkelnd die Kehle aus dem Leib, als wir uns den bisherigen Tag in Erinnerung rufen.
Völlig voll geht es dann wieder nach draußen, nachdem wir inmitten der illustren Spießergesellschaft schnell bemerkten, dass man für die lockere norddeutsche Wandertradtion, sich nach erfolgreichem Trip so richtig zu besaufen, in der Alpenregion wohl nur wenig Verständnis aufbringen kann oder will.

Wer noch niemals mit zwei Promille Blutalkohol und schwerem Gepäck über messerscharfe Felsblöcke getorkelt ist, dem sei dies an dieser Stelle empfohlen. Während wir so nach einem Schlafplatz suchen und uns mit den gewohnten Schwierigkeiten auseinandersetzen, gelangt schlussendlich doch noch die Erkenntnis zu mir, vor der ich mich so lange sträubte: Nächstes Mal, Patrick, da nimmst du ein Zelt mit. Denn wer hat schon Lust, betrunken und vollständig ausgelaugt eine Plane zu einer funktionellen Behausung zusammenzufriemeln.

Zwar finden wir relativ zügig ein geeignetes Plätzchen, zum Aufbau einer meiner mittlerweile berühmt-berüchtigten Tarp-Konstruktionen fühle ich mich indes nicht mehr imstande. Micha, der Trunkenbold, kann allem Anschein nach erst durch Alkohol auf seine verborgenen Kräfte zugreifen und ihm gelingt es, einen tatsächlich brauchbaren Unterschlupf zu konstruieren. All dies geschieht, während ich mich bereits längst in Fuads Zelt geschummelt habe. „Ich habe fertig für heute!“, schwirrt es mir im Kopfe, als ich mich mit Blick auf die untergehende Sonne zur Nacht bette wie ein Schmetterling, der nur zurück in seinen Kokon entschwinden möchte, hoffend, am nächsten Tage ausgeruht in den letzten Tag unserer Abenteuerreise starten zu können.

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